FAKING HITLER
Es ist fast schon unterhaltsamer, den Wikipedia-Eintrag zu Schtonk! zu lesen, als eine Folge von FAKING HITLER anzuhören
Sprache:Deutsch
Von:Isa von Heyl /Dr. Malte Herwig
Website:Podcast Faking Hitler
Start:Januar 2019 - März 2019

Darum geht es in FAKING HITLER
Mit FAKING HITLER versucht die stern-Redaktion, den größten Flop ihrer eigenen Geschichte aufzuarbeiten: die als Sensation angekündigte Veröffentlichung von Hitler-Tagebüchern im April 1983. Nur wenige Tage nach dem vermeintlichen Super-Coup kam damals die große Ernüchterung: die Tagebücher hatten einer Echtheitsprüfung des BKA nicht standgehalten, der internationale Skandal war da. In 10 Folgen und mit bisher unveröffentlichten Audiomitschnitten wird die Geschichte nun neu erzählt - und diesmal der Podcast als Sensation angekündigt. Die Macher des Podcasts sind zu Recht stolz darauf, Archivmaterial aufgetan zu haben, das bisher Ungehörtes verspricht: die Audiomitschnitte von Telefongesprächen, die der Journalist Gerd Heidemann mit dem Tagebuch-Fälscher Konrad Kujau führt. Leider geht es da erstmal lange um Terminfindungen und Wetter. Viel Gewicht wird beim Podcast auf die nach und nach entstehende Männerfreundschaft gelegt - und die Chance vertan, Zeitgeschichte spannend und mit neuem Material zu erzählen. Es gibt immer mal wieder Highlights, zum Beispiel einen sehr unaufgeregten Frank Thomsen, heute Unternehmenssprecher von Gruner & Jahr, der einordnet, wie sehr dem stern die gefälschten Tagebücher auch heute noch anhängen. Die Macher sprechen mit vielen Zeitzeugen, wie zum Beispiel Ingrid Kolb, damals stern-Redakteurin und später Leiterin der Henri-Nannen-Journalistenschule. Sie erzählt, wie sie sich in der Redaktionskonferenz darüber aufgeregt hätte, dass mit der Veröffentlichung im stern keinerlei Kommentierung oder Einordnung der Tagebücher einherging: "Man könne die doch nicht einfach so unters Volk bringen. Und jetzt sei schon die dritte Folge in Arbeit, und es sei noch kein Wort über das, was im Dritten Reich passiert ist, gefallen. Also was für ein grauenhaftes Regime das war und was für ein Elend über Menschen gebracht wurde, vor allem die Juden". Auch Olof Masch, der für Kujau und Heidemann zuständige Haftrichter kommt zu Wort. Und immer wieder hören wir Gerd Heidemann, wie er sich aus heutiger Sicht an die Geschichte erinnert.So findet Susanne FAKING HITLER
"Noch nie war jemand so nah dran an den Geschehnissen" - das ist einer der Superlative, mit denen der stern seinen Podcast bewirbt. Dabei ist es zum einen doch völlig klar, dass die Aufarbeitung eigener Verlagsgeschichte automatisch nah dran bedeutet. Und zum anderen ist es ironisch bis ärgerlich, dass der stern schon wieder mit Superlativen um sich wirft und mehr verspricht, als am Ende rumkommt. Leider finde ich die Art und Weise, wie die Geschichte von Journalist und Fälscher hier erzählt wird, weder "spannend" noch "grotesk und aberwitzig" sondern in erster Linie schlecht aufgebaut bis gähnend langweilig. Das liegt zum einen daran, dass ich mich als Hörerin überhaupt nicht abgeholt fühle. Mir fehlt eine kurze Einordnung, ein "Was damals eigentlich geschah", mit kurzer zeitlicher Zuordnung. Statt dessen gibt es immer mal wieder seltsam klingende Audio-Fußnoten, in denen mir zum Beispiel Hermann Göring mit einem kleinen "Pling"= Achtung, hier kommt eine Fußnote - erklärt wird. Dazu Mitschnitte von Gesprächen zwischen dem Journalisten Gerd Heidemann und dem Tagebuchfälscher Konrad Kujau. Die sind zwar zugegebenermaßen in ihrer Existenz beeindruckend. Aber qualitativ schlecht, also schwer zu verstehen, und inhaltlich eher banal. Man hätte mit mehr Schnitt der Gesprächsaufzeichnungen und gut ausgewählten Sequenzen schon etwas Besonderes draus machen können. Und das ist dann auch meine Hauptkritik: die Geschichte der Tagebücher ist ja wirklich spannend. Und es lag viel wertvolles Audiomaterial vor. Eigentlich großartige Voraussetzungen für eine richtig gute Serie. Aber durch fehlende Dramaturgie und einen nach und nach immer mehr nervenden Erzähler verschenkt. Zumal fast zeitgleich mit der Veröffentlichung von FAKING HITLER der Fälscher Claas Relotius aufgeflogen ist und es nahegelegen hätte, eine Sonderfolge hinterherzuproduzieren. Das ist alles nicht passiert, und ich muss sagen: es ist fast schon unterhaltsamer, den Wikipedia-Eintrag zu Schtonk! zu lesen, als eine Folge von FAKING HITLER anzuhören.Fazit und Wertung von: Susanne 4
Spannende, echte Ereignisse als Vorlage, vielversprechendes, noch nie gehörtes Archivmaterial, gute Gesprächspartner. Da kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen? Leider doch. FAKING HITLER ist weder spannend aufbereitet, noch interessant erzählt. Große Enttäuschung meinerseits.