DER ANHALTER
DER ANHALTER ist keine einfache Reportage. Vielmehr ist es eine große Erzählung über das Leben außerhalb der Gesellschaft.

Darum geht es in DER ANHALTER
Sven Preger nimmt 2013 einen Anhalter mit: Heinrich. Er ist mit Krebs im Endstadium auf dem Weg zu Dignitas in der Schweiz, um allem ein Ende zu machen. Während der Fahrt erzählt Heinrich viel von seinem Leben. Eine Geschichte, die Preger in Erinnerung blieb – und die sein Kollege Beuting ein Jahr später genauso wieder von einem Anhalter Namens Heinrich hört. Das macht die beiden stutzig. Prager und Beuting wollen wissen was dahinter steckt und fangen an zu recherchieren. Erst den Aufenthaltsort von Heinrich und dann seine Lebensgeschichte. Beuting und Preger lassen uns dabei ganz offen an ihren Nachforschungen teilhaben. An ihren Fortschritten und Rückschlägen. Vor allem an ihren Zweifel bezüglich Heinrichs Erzählungen. Aber sie hören weiter zu und über Heinrichs Jugend landen sie schnell bei einem dunklem und verdrängtem Kapitel der jungen BRD. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie der 50er, 60er und 70er Jahre. Eine Welt in der Kinder weggesperrt und misshandelt wurden, die nicht der gewollten Norm entsprachen. Eine Welt, die bis heute viele Schicksale beeinflusst. Nicht nur Heinrichs.
DER ANHALTER lief im Sommer 2016 als Radioreportage bei WDR5 und erhielt 2017 den Deutschen Sozialpreis.
So findet Johannes DER ANHALTER
Wie die Autoren selbst in Folge 1 zugeben: Es ist eine verdammt gute Geschichte. Klar geht es hier um ein Individuum; um ein Schicksal. Aber mich als Hörer fasziniert natürlich diese starke Geschichte, die von dem schnoddrigen und kauzigen Hauptcharakter Heinrich und seinen Sprüchen getragen wird. Ich hab ihm einfach gerne zugehört und war immer wieder fasziniert, wie er sich als Lebenskünstler mit so vielen Schicksalsschlägen arrangiert hat. Und ganz ehrlich: DER ANHALTER hat mich aus den gleichen Gründen fasziniert, wie mich ein Thriller fasziniert: Anfangs das Auftauchen einer mysteriösen Figur, die uns Schritt für Schritt in eine größere Geschichte reinzieht. Und vor allem wird bei all den Storys schnell klar: Heinrich erzählt nicht immer nur die Wahrheit. Wie die Autoren dieser Frage nachgehen und Heinrichs Geschichte mit vielen – oftmals ihren eigenen – Emotionen erzählen und dabei nie reißerisch werden, das ist die ganz große Kunst an diesen 5 Folgen. Beuting und Preger beleuchten Heinrich kritisch, ohne zu vergessen, dass es immer noch um einen echten Menschen mit Gefühlen geht. Die Autoren arbeiten behutsam und hartnäckig und journalistisch sauber und haben es geschafft mich von einem Thema über Stunden hinweg zu faszinieren, von dem ich nicht mal wusste, dass es existiert. Wer die Erzählweise von SERIAL oder MAKING A MURDERER mochte, der wird DER ANHALTER aufgrund seiner einfühlsamen Art lieben.
Fazit und Wertung von: Johannes 10
Man ist das gut. Starker Protagonist! Emotionale Recherche! Guter Journalismus! Menschliche Reporter! Eine seltene Kombination. DER ANHALTER ist keine einfache Reportage. Vielmehr ist es eine große Erzählung über das Leben außerhalb der Gesellschaft. Alleine wie die letzten Wörter der Reportage das Wesen von Heinrich fast schon poetisch zusammenfast: stark! Eine Qualität, die wir in Deutschland leider nur bei Radioproduktionen erleben und selten bei originären Podcasts.
Anmerkung: DER ANHALTER gibt es nicht mehr auf allen Podcastplattformen findet sich aber in der ARD Audiothek App.