Die Arbeit hinter der Leichtigkeit: OUT ON THE WIRE

Ein gezeichnetes Sachbuch, also ein Sach-Comic, über die Produktion von Podcasts? Really? Ja, really! Denn dieses Buch ist der informativste und kenntnisreichste Einblick in die amerikanische Podcastszene á la THIS AMERICAN LIFE, den ich jemals hatte. Warum? Weil neben der Autorin Jessica Abel auch der Host von THIS AMERICAN LIFE, Ira Glass, das Buch mitkonzipiert hat und Jessica sicherlich viele Türen öffnen konnte. Der Comic zeigt einen intensiven Blick auf die Philosophie, den Anspruch und die Arbeitsweise der amerikanischen Erfolgsformate, die das Podcast-Storytelling auf ein neues Niveau gehoben haben: THIS AMERICAN LIFE, SNAP JUDGEMENT, PLANET MONEY, 99% INVISBLE, RADIOLAB, etc..
Der harte Podcast-Alltag!
In vielen Interviews mit den Produzenten und Autoren und eigenen Reportagen aus den Redaktionen zeigt Jessica Abel dabei vor allem eins: Wie viel Zeit für eine gut erzählte Geschichte drauf geht. Unfassbar viel Zeit: Vorbereitung auf die Reportagen/Interviews; unzähliges Anhören der Aufnahmen, um die besten O-Töne zu finden; Beitrag schreiben; dem Team die Story vorlesen und Kritik abholen; den Fokus der Story evtl. komplett ändern; noch mal Kritik bekommen; wieder umschreiben; Teamkritik... Es dauert oft mehrere Wochen mit viel Frustration, bis die Autoren die bestmöglichste Art gefunden haben eine Geschichte so zu erzählen, dass sie uns berührt. Selbst mich als Radiomacher mit viel Erfahrung hat überrascht, wie viel harte Arbeit hinter diesen Geschichten steht, die mir doch beim Podcast anhören so ganz locker und leicht ins Ohr geflüstert werden. Gerade der immense Zeitaufwand in den Team-Kritik-Runden kennt man hier in Deutschland so wirklich nicht. Dabei rutscht OUT ON THE WIRE in der Beschreibung nie in die Erzählweise eines drögen Sachbuchs ab. Durch die vielen echten Beispiele der Autoren, die ihre Probleme beim Erstellen einer Story schildern oder wie sich kleine Details plötzlich zum wichtigen Grundgedanken einer Story entwickeln, bleibt Jessica Abel in ihrer Beschreibung immer sehr bildreich und lebensnah. Darüberhinaus erklären viele bekannte Namen aus dieser Podcastszene mit spannenden Anekdoten, wie sich dieses Medium in den letzten Jahren entwickelt hat.
Comic? Comic!
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Die Eingangsfrage wäre ja noch zu klären: Warum eigentlich ein Comic über Podcasts? Eine Frage, die sich nach dem Lesen eigentlich nicht mehr stellt. Auch wenn Podcast ein durch und durch audiophones Medium ist, wollen die Macher ja doch nur eins: Der Hörer soll die erzählte Geschichte wirklich verstehen, bzw. nachvollziehen können. Dazu muss der Hörer die Erlebnisse auch vor seinem inneren Auge sehen können. Er muss sich die Protagonisten und Locations vorstellen können, um die Emotionen der Protagonisten nachzuvollziehen. Kurz. Der Hörer muss ein Bild von der Geschichte machen. Einen bildhaft erzählenden Podcast mit einem Comic voller Bilder zu beleuchten – nichts erscheint am Ende logischer!
OUT IN THE WIRE taucht tief ein
Jessica Abel beleuchtet das Phänomen Podcast von allen Seiten. Das ist wie gesagt ganz oft sehr spannend und informativ. Aber einige Kapital werden dann doch etwas zu „nerdy“: Z.B wenn Abel ausführlich auf die Tipps der Macher eingeht, wie man die perfekte, also „natürlichste“, Sprechweise für einen Podcast erreicht. Oder wenn die unterschiedlichsten Ansichten, was einen guten Podcast ausmacht, diskutiert werden. Die Differenzen liegen hier wirklich nur in den Nuancen und – Überraschung! – am Ende wollen alle einfach eine gute Geschichte spannend erzählen. Solche Kapitel sind sicherlich nur was für Insider, die selbst Podcasts produzieren oder etwas über Storytelling lernen wollen. Nichtsdestotrotz zeigen auch diese Abschnitte genau wie das ganze Buch, was für eine unfassbar harte und langwierige Arbeit in guten Podcasts steckt. Und das gelingt Jessica Abel in ihrem Comic unterhaltsam, locker und leicht verständlich wie kaum jemand anderes.