A voice like dirty honey – R.I.P. Joe Frank

Hitler, Stalin, Pol Pot und Mao sitzen im Restaurant und reden über Hochzeitsblumen. Am Nebentisch diverse Massenmörder, Terroristen und Killer. Und mitten drin, als Zuhörer und Berichterstatter, Joe Frank - ein amerikanischer Storyteller und Radiomacher, Vorbild und Inspirator für NPR-Host Ira Glass. In 6 Minuten im Restaurant schaffte er es, eines von vielen bizarren und zutiefst menschlichen Szenarien zu malen, die ihn quasi weltberühmt gemacht haben. Quasi, weil der Radiomacher Joe Frank bis heute ein Geheimtipp blieb - vor allem in Europa. Er starb am 15. Januar 2018.
"No more, my Lord" heißt die Radiostory, in der der 1943 aus Europa nach Amerika geflohene Sohn polnischer Juden versucht, sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen. Das Storytelling ist verrückt, crazy, surreal und dann doch so nah und intim, dass man einfach weiterhören muss. Auch "Dreamers", einem Familien-Silvesterdrama, kann man sich kaum entziehen. Es endet wie ein Google-Map-Satelliten-Flug irgendwo in der Milchstraße, begleitet vom traurigen Tröten der Luftrüssel. Franks Stärke waren Monologe, aber er war sich auch nie zu schade mit Hörern einen veritablen Streit anzufangen (wie in "The fastest Pianoplayer") oder seine Ex-Freundinnen mitten in der Nacht anzurufen und ihnen Lieder vorzusingen. Er hat darüber hinaus etliche Radiohörspiele und Theaterstücke geschrieben und aufgeführt.
IRA GLASS WAR FRANKS PRODUKTIONSASSISTENT
Joe Frank, der sein Leben lang an unzähligen (Krebs-)Krankheiten litt, studierte englische Literatur und landete halb zufällig im Radiobereich. Fasziniert hatten ihn vor allem die Sportberichterstatter beim Baseball, die nicht nur über das Spiel referierten, sondern gleich das ganze Universum drumherum miterzählten. Der Einstieg als Host eines Nachtprogramms bei NPR's "All things considered" führte ihn weiter nach Kalifornien, wo er vor allem bei KCRW mit der Show "UnFictional" seine Bekanntheit steigern konnte. Bereits in Washington bei NPR hatte er einen großen Verehrer gefunden: Ira Glass, der jetzige Host von "This American Life", war damals sein Produktionsassistent. Ira sagt über Frank: "[Joe Frank] is one of the great, original radio performers. He's created a sound and style for himself - a complete aesthetic that's entirely his own. I first heard him when I was 19 and it changed everything for me. His work demonstrated the intensity and emotion that the medium is capable of; ingenious…fantastic." Auch der Autor David Sedaris ist, seit er etwa 19 Jahre alt war, bekennender Frank-Fan: "[His shows] would seem like the kind of conversations that you shouldn't be listening to... When I say they are disturbing I mean that in the best possible way."
Joe Frank - Somewhere Out There (2018) Official Trailer from DP Carlson on Vimeo.EINE STIMME, DRECKIG WIE HONIG
Man kann auf seiner Homepage noch viele Stücke hören - und klar, er war ein alter Hippie, aber von der ganz schwarzen, finsteren und ironischen Sorte, mit einer Stimme, der man sich als Hörer kaum entziehen kann. Seine Stücke sind zutiefst realistisch erzählt und auf dem ersten Blick weder abgefahren, noch besonders innovativ produziert. Seine Stärke begründet sich allein auf seinem Storytelling und seiner Stimme, die laut L.A.Times wie dreckiger Honig klingt.
Für alle, die Joe Frank noch nicht kennen, gibt es mehrere Möglichkeiten, dies nachzuholen: Radiolab hat am 22.1.2018 ein Portrait über ihn gemacht, "The Voice in your head", und 2018 erscheint einen Film über Frank mit dem Titel: "Joe Frank - somewhere out there." Rest in Peace.